Bogenwerkstatt mit Karl – oder: Die Kraft die aus der Ruhe kommt

 

Zuggewicht, Auszugslänge, Anker(punkt), Nockpunkt, Sehnenwicklung, Recurve, Wurfarme... Flu-Flu? Na, klingelt da was?
Na, logisch, denken sich die alten Hasen, oder zumindest die etwas erfahreneren Freunde des Bogensports. Und was klingelte bei mir? - Nach dem Wecker morgens um sechs jedenfalls erst mal nicht mehr viel.

Als ich mit dem Bogenschießen vor Kurzem angefangen habe, dachte ich noch, ich würde ganz entspannt im Robin Hood Stil ein paar Pfeile ins Ziel feuern. Genau ins Schwarze treffen sozusagen. Aber auch hier schon weit gefehlt. Der Bogenschütze schießt ins Gold oder trifft das Kill, nicht aber ins Schwarze. Übrigens ganz im Gegensatz zu mir. Ich persönlich war schon froh, überhaupt die Auflage zu treffen.
„Au Backe!“ sagt mir meine innere Stimme also „hier hast DU wohl ein bisschen was zu lernen!“


Na gut, dann also ans Werk. Auf nach Hause, YouTube starten und mir die Meinung, Turtorials und Selbstbeweihräucherungs-Videos von hunderten selbsternannten Vollprofis des Bogensports antun.
Versteht mich bitte nicht falsch, da mag eine Menge Gutes dabei sein, aber halt auch eine gewisser Prozentsatz an ''Schrott''. Und wie filtert man das jetzt? Wie sortiert man die guten und die sinnlosen oder gar falschen Informationen? Nach gefühlten vier Stunden und unzähligen Tassen Kaffee gebe ich meinen ambitionierten YouTube-Vorhaben als Autodidakt jedenfalls auf. Und bevor ich mich nun noch in die tiefen unzähliger Diskussionsforen zu diesem schönen Sport einlese, nehme ich mich lieber den Rat von Cathrin (Trainerin im Verein) zu Herzen. „Such dir EINEN Trainer. Nicht drei oder vier, nein, EINEN. Eine Person, von der DU den Eindruck hast, sie können Dir das Richtige bei bringen. Und dann lass Dich nicht beirren und folge den Anweisungen dieser einen Person.“
Das klingt für misch sinnig. Aber ich suche doch gar keinen wirklichen Trainer. Ich suche doch ''nur'' jemanden, der der mir erst mal erklärt, mit welchem Fachbegriffen meine neuen gewonnen Bogenfreunde hier alle so um sich werfen. Wen nehme ich denn da?
Scheinbar eine ''blöde'' Frage beim BSC BO. Die Antwort kommt schnell und einstimmig „Karl! Natürlich fragst du Karl.“

Karl leitet die Bogenwerkstatt beim BSC. Eine wöchentliche stattfindender Workshop, bei dem man über Material fachsimpeln kann, sein Equipment warten und reparieren, sein Bogen-Setup von Grund auf ernueuern, einfach nuer einen Kaffee trinekn und quatschen, oder aber wie in meinem Fall – sich das grundlegende Know-How über den Bogensport, das verwendete Sportgerät und die unzähligen Einstellungs- und Optimierungsmöglichkeiten aneignen kann.
Und ich nehme das jetzt einfach mal vorweg: Karl tut das alles auf seine unnachahmliche Weise!

Ich gebe zu, ich hatte anfangs etwas mulmiges Gefühl bei der Sache. So bin ich halt. Wer outet such schon gerne als totales Greenhorn und gibt zu, von der Materie so wenig Ahnung zu haben, wie ein Fisch vom Radfahren? Dieses mulmige Gefühl weicht allerdings nach einigen Minuten in der Bogenwerkstatt einer wachsenden Begeisterung, die sich allein schon dadurch einstellt, dass unser Lehrmeister Karl, sympathisch wie kein Zweiter, ganz von von vorne anfängt und uns bei den zu lernenden Begrifflichkeiten ganz von vorn abholt. Wir lernen was die Wurfarme und das Zuggewicht sind. Wir montieren zum ersten Mal unsere Bögen, ohne uns die Hacken zu Brechen. Wir benutzen den Checker und kontrollieren die korrekte Einstellung unserer Nockpunkte, sowie die Standhöhe. Wir lernen ganz nebenbei so allerlei weitere Ticks und Kniffe die der ambitionierte Bogenschütze im Repertoire haben sollte, um die korrekte Einstellung seines Sportgerätes zu prüfen und gegebenfalls zu optimieren.
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Gerade als ich das Gefühl habe, dass mein Kopf anfängt zu rotieren und ich realisiere, dass ich mir das alles gar nicht merken können werde, beruhigt mich Karl, als er sagt, dass vieles davon am Anfang vielleicht noch nicht so extrem wichtig sei. Da findet man sich schon rein. Puh, Glück gehabt!

Und dann geht es ans Werk. Gerade als ich denke, hier ginge es heute um eine sehr theoretische Veranstaltung, werden wir aufgefordert, ein paar Pfeile zu schießen. Auf kurze Distanz.
Ganz im Ernst, ich hätte nie gedacht, dass man allen aus dem Winkel, in dem die Pfeile in der Scheibe stecken, so viele Informationen über die Eignung unserer Pfeile zum jeweiligen Bogen ablesen kann. Wahnsinn!
Aber was noch viel wichtiger ist: Die Gruppierung!
Während meine Vereinskollegin Britta (die übrigens genau so ein Bogensport-Neuling ist wie ich) wunderschöne, ganz eng angeordnete Gruppen schießt, hätte man bei mir davon ausgehen können, ich hätte einmal mit rechts, einmal mit links und einmal völlig ohne Verwendung meiner Hände geschossen. Im Comic hätte ich einmal die Scheibe, eine Gießkanne und einmal den Fuß meinen Bogenlehrers getroffen.
Okay, das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben dargestellt, aber schöne Gruppierungen von Pfeilen sehen wirklich anders aus! Nächster Anlauf. Noch immer Käse. Mein Ego sackt in den Keller. Ich fühle mich nervös. Karl hingegen strahlt eine Ruhe aus, bei der Buddha selbst noch neidisch geworden wäre-
„Ist der Tiller richtig eingestellt?“, fragt mich Karl.
Bei mir kommt natürlich sofort wieder der Drang durch, mein Unwissen zu kaschieren und ich antworte: „Ähhm...der Tiller..Öhm...na klar ist der richtig eingestellt. Was denkst denn Du? Ist ja ein nagelneuer Bogen...“
Karl merkt natürlich sofort, dass ich keine Ahnung habe, wovon ich da rede und fängt ergo wieder in aller Ruhe an zu erklären, warum es dabei eigentlich geht.

Ich kürze die Geschichte von hier an mal ab weil:
a) Ich schon wieder das Schwafeln anfange, und
b) die Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Lesers einen Internet-Erfahrungsberichtes sich wahrscheinlich im Bereich bis zu fünf Minuten ansiedelt. Ich verstehe das. Mir geht es genau so ;-)

Also:

Tiller korrekt eingestellt? Nein!
Vorläufige Korrekturmaßnaheme? - Lösen meines unteren Wurfarmes durch einige Drehungen an der Befestigungsschraube .
Resultat? - Die Bogensehne trifft nach dem Ablass beide Wurfarme (so ziemlich) gleichzeitig.
Resultat 2? - Ich schieße auf Anhieb einige wirklich brauchbare Gruppierungen und ich habe das Gefühl, dass mein Traum vom Wochenend- Robin Hood doch noch nicht gestorben ist.

Letztendlich hat Karl herausgefunden, dass meine Wurfarme sich unter Belastung stark unterschiedlich verhalten bzgl. ihrer Durchbiegung. Das ist so nicht okay und würde in Zukunft natürlich das Resultat vermiesen, so wie sicherlich auch meinen Spaß am Sport.

Also trifft er kurzerhand die Entscheidung, Britta und mich ein paar Tage später ins Fachgeschäft zu begleiten, im dort dem fachkundigen Händler auf seine wie üblich relaxte Weise zu erklären, dass das uns Verkaufte Material nicht ganz fehlerfrei ist und bittet um Korrektur. Wir müssen also nur da stehen und warten, bis unsere neuen Wurfarme montiert sind(sogar mit etwas mehr Zuggewicht – Britta war deutlich unterfordert) und anschließend ein paar Pfeile ins Gold schießen, um festzustellen, dass nun alles deutlich besser läuft.
Habe ich meine Passe ins Gold geschossen? - Teufel nein! Aber eine gute Gruppierung außerhalb des Goldes ist ja such schon mal etwas wert =)

Fakt ist jedenfalls, dass ich eine Menge gelernt habe und dass es einfach einen wahnsinnigen Spaß gemacht hat. Und es wird mit Sicherheit nicht mein letzter Besuch bei Karls Bogenwerkstatt gewesen sein. Und wenn ich mir in Zukunft etwas von dieser Kraft, die aus der Ruhe kommt,aneigne, dann ist das sicherlich auch nicht ganz verkehrt.